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KCanG Entziehung der Fahrerlaubnis

Leitsatz des Gerichts:

Es erscheint nach Inkrafttreten der neuen fahrerlaubnisrechtlichen Regelungen zum Cannabiskonsum nicht (mehr) vertretbar, bei regelmäßigem Konsum allein gestützt auf diesen und auf die bisherige Fassung der Begutachtungsleitlinien für die Kraftfahreignung, also ohne vorherige Begutachtung, auf eine durch Cannabismissbrauch bedingte Fahrungeeignetheit zu schließen.

Gründe

Der Antragsteller ist angestellter Fahrlehrer. Am Vormittag des 19.7.2023 (10.45 Uhr) erfolgte während einer praktischen Fahrstunde, die der Antragsteller – wie dies üblich ist – einem Fahrschüler als Beifahrer erteilte, eine Verkehrskontrolle. Ausweislich des Polizeiberichts gleichen Datums war die Kontrolle durch eine anonyme Mitteilung veranlasst und gab der Antragsteller auf entsprechende Nachfrage an, Betäubungsmittel zu konsumieren. Es wurden verschiedene im Bericht aufgeführte Auffälligkeiten und Ausfallerscheinungen festgestellt; der Antragsteller händigte den Beamten eine Blechdose mit Konsumutensilien und ca. 0,7 g Marihuana aus, die er im Handschuhfach des Fahrzeugs deponiert hatte. Eine auf freiwilliger Basis um 11.30 Uhr durchgeführte Blutentnahme wurde im Institut für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes untersucht; dabei ergaben sich folgende Werte: 11 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC) im Blutserum, 5,6 ng/ml Hydroxy-Tetrahydrocannabinol (THC-OH) und ca. 200 ng/ml Tetrahydrocannabinol-Carbonsäure (THC-COOH). Nach der Beurteilung des Instituts für Rechtsmedizin vom 30.11.2023 spricht das THC-Ergebnis dafür, dass der Antragsteller in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang mit der Blutentnahme Cannabis konsumiert hatte, und lag die festgestellte Konzentration von THC-Carbonsäure deutlich in dem Bereich, der üblicherweise bei regelmäßigem bzw. chronischem Konsum vorgefunden wird. Aus forensisch toxikologischer und rechtsmedizinischer Sicht sei von drogenbedingter Fahruntüchtigkeit zum Vorfallzeitpunkt auszugehen.

Mit – nach Aktenlage formlos übersandtem – Schreiben vom 4.1.2024 wurde der Antragsteller zum Entzug seiner Fahrerlaubnis angehört; ausweislich der festgestellten Blutwerte konsumiere er regelmäßig Cannabis und habe sich dadurch gemäß § 11 Abs. 1 FeV i.Vm. Ziff. 9.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen. Seine Fahrerlaubnis sei daher zu entziehen. Eine Reaktion hierauf erfolgte nicht.

Unter dem 23.2.2024 teilte die Staatsanwaltschaft Saarbrücken dem Antragsgegner mit, dass das Ermittlungsverfahren wegen Trunkenheit im Verkehr eingestellt worden sei, da der Antragsteller nach Aussage der beiden im Fahrzeug befindlichen Fahrschüler während der Fahrstunde nur mündliche Anweisungen erteilt und nicht aktiv in den Fahrvorgang eingegriffen, mithin das Fahrzeug nicht im Sinn des § 316 Abs. 1 StGB geführt habe.

Mit der verfahrensgegenständlichen Verfügung vom 4.3.2024 hat der Antragsgegner dem Antragsteller die Fahrerlaubnis wegen regelmäßigen Cannabiskonsums unter Anordnung der sofortigen Vollziehung entzogen.

Das Verwaltungsgericht hat den Eilrechtsschutzantrag durch Beschluss vom 30.4.2024 zurückgewiesen. Der Bescheid genüge den formalen Anforderungen und sei bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage offensichtlich rechtmäßig, so dass die privaten Interessen des Antragstellers zurücktreten müssten. 

Die zulässige Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung ist unbegründet.

Der streitgegenständliche Sachverhalt zeichnet sich dadurch aus, dass die angegriffene Verfügung vom 4.3.2024 auf der Grundlage des bis zum 1.3.2024 geltenden (alten) Fahrerlaubnisrechts ergangen ist, der Widerspruch und der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz unter dem Datum 4.4.2024, also nach Inkrafttreten der teilweise, nämlich in Bezug auf den Umgang mit Cannabis, geänderten Fahrerlaubnisverordnung1 datieren und die Widerspruchsentscheidung – soweit ersichtlich – noch aussteht.

Nach alter Rechtslage war die Fahrerlaubnis bei regelmäßigem Cannabiskonsum zu entziehen und bei gelegentlichem Konsum war entscheidend, ob ein hinlängliches Trennungsvermögen besteht, was nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV a.F. durch Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung abgeklärt werden konnte. Das neue Recht unterscheidet zwischen Cannabisabhängigkeit, Cannabismissbrauch und einem fahrerlaubnisrechtlich unbedenklichen Cannabiskonsum, der nach Vorstellung des Normgebers gelegentlich oder regelmäßig erfolgen kann. Der Normgeber hat damit Neuland betreten, was sich für die Fahrerlaubnisbehörden, die Gerichte und die Begutachtungsstellen durchaus als Herausforderung darstellt, zumal eine Anpassung der Beurteilungsleitlinien an die neuen Vorgaben (noch) nicht erfolgt ist.

Hieraus ist zu schlussfolgern, dass die Überzeugung mangelnden Trennungsvermögens anhand objektiv nachvollziehbarer und wissenschaftlich gesicherter Kriterien gewonnen werden muss. Es bedarf handhabbarer Kriterien für die erforderliche Abschichtung und die Prognose künftig bestehenden oder fehlenden Trennungsvermögens; die Erarbeitung dieser Kriterien und Leitlinien setzt die Auswertung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und entsprechenden Sachverstand, insbesondere medizinisches und psychologisches Wissen, voraus und insoweit kommen die Behörden und Gerichte schwerlich als Vorreiter in Frage. Unter welchen Voraussetzungen die Fahrerlaubnisbehörde im Sinne des § 11 Abs. 7 FeV zu der Überzeugung gelangen kann, dass die Nichteignung ohne vorherige Begutachtung feststeht, kann nicht losgelöst von alldem beurteilt werden.

OVG Saarland, Beschl. v. 07.08.2024 – 1 B 80/24, Burhoff, Newsletter 18/2024

 

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